Trainingslager

Eins ist nicht genug! Wie Trainingslager wirklich sein sollten

Viele Athleten lassen sich auf dem Trainingslager zu sehr von Emotionen und zu wenig von sinnvollen Kriterien leiten. Ein Vorschlag für klügere Trainingslager.

Im Trainingslager
Im Trainingslager: Besser als einmal lang zu fahren, ist eine aufbauende Kette an Trainingslagern, meint Buch-Autor Roy Hinnen. - (Foto: Roy Hinnen)

Ein übliches Trainingslager geht so: Mitteleuropäische Triathletinnen und Triathleten planen üblicherweise einen einzigen Aufenthalt zwischen Februar und Mai in der Sonne. Das gibt es bereits für kleines Geld bei Sportreise-Anbietern. Viele der Veranstalter geben sich große Mühe und planen ein volles Programm

.

Für manchen Altersklassenathleten, der aus der Kälte kommt und sonst täglich acht Stunden im Büro sitzt, mag so ein Programm, aus rein emotionaler Sicht, attraktiv sein: endlich raus an die Sonne, zeigen, was man drauf hat – schließlich hat man den ganzen Winter schon trainiert.

Diese Einstellung ist verständlich. Leider bringen diese Aufenthalte für die bevorstehende Saison nur bedingt eine Leistungssteigerung.

Warum? Ganz einfach, weil die hormonelle Basis für diese Dauerbelastungen nicht gegeben ist. Die meisten Triathleten kommen mit durchschnittlich sechs bis acht Trainingsstunden pro Woche ins Trainingslager und steigern das Pensum dann quasi über Nacht auf bis zu 30 Stunden. Dazu kommt häufig, dass viele Einheiten mit sehr hohen Pulswerten absolviert werden: eine Belastungsprobe für den Hormonhaushalt.


Trainingslager mit schlagartig erhöhten Trainingsumfängen sind eine hohe Belastung für den Hormonhaushalt.

Kurz und frequent: Trainingslager-Ketten sind effektiver

Roy Hinnen, Triathlon-Coach und Autor des Buches „TRIATHLON TOTAL: Dein Weg zur neuen Bestzeit“ empfiehlt einen anderen Trainingslager-Rhythmus. Ist der erste Hauptwettkampf im Juli, schickt er seine Athleten bereits Ende November für drei Tage in die Sonne. Zwei weitere dreitägige Trainingslager werden im Dezember und Januar abgehalten, bevor es im Februar für acht Tage ins Haupt-Trainingslager geht.

Falls die Drei-Tages-Camps nicht möglich sind, kann man dies mit ein bisschen Wetterglück auch durch „Back-to-Back“-Fahrten (lange Radeinheiten von 4–6 Stunden an zwei Tagen in Folge) zu Hause ersetzen.

Mehr ist nicht immer besser!

Trainieren Sportler im Alltag rund sieben Stunden im Wochenschnitt, sollten sie während des dreitägigen Trainingslagers nicht mehr als etwa 120 Prozent dessen trainieren, was sie üblicherweise pro Woche machen, also rund 8,5 Stunden. Nach den drei Tagen Trainingslager folgen drei Tage, in denen ausschließlich geschwommen wird. Danach geht es wieder zurück zum normalen Trainingsplan. Dieses Mini-Trainingslager stimuliert den Körper optimal und legt die Grundlage, um ein siebentägiges Trainingslager sinnvoll absolvieren zu können und dort dann einen guten Effekt zu erzielen.

Sinnvoller Ablauf eines Trainingslagers

Das siebentägige Trainingslager läuft wie folgt ab: Um die Leistungskapazität des Fettstoffwechsels zu entwickeln, muss ein Teil der Zuckerreserven (Glykogen) verbraucht sein. Also fährt der Athlet einen Tag vor der Abreise einen 60-minütigen All-out-Test auf dem Hometrainer. Nach diesem Test sind zwischen 30 und 60 Prozent der Glykogenreserven verbraucht. Gerade richtig, um am nächsten Tag mit einem dreistündigen Radtraining mit reduzierter Intensität zu beginnen.

Über die folgenden Tage hinweg werden die Watt- oder Pulswerte (je nachdem, ob der Athlet ein Wattmessgerät hat oder nach der Pulsformel trainiert) kontinuierlich nach unten reguliert! Dies ist das genaue Gegenteil von dem, wie ein Trainingslager üblicherweise abläuft.

Ein Beispiel für ein dreitägiges Trainingslager:

Trainingslager 3 Tage
FreitagSamstagSonntagMontag
Swim4x 300m Rückenbeinschlag, 120 Sek. Pause30 Min. lockeres Schwimmen, 3er Atmung, Paddles, versuche, die Schlagzahl über die 30 Min. um 1–2 Schläge zu reduzieren.
4x 300m Rückenbeinschlag, 120 Sek. Pause
4x 300m Rückenbeinschlag, 120 Sek. Pause
BikeTesttag
60-minütiger All-out-Test auf dem Hometrainer: Ergebnis z.B. 302 Watt bei einem Durchschnittspuls von 152.
Koppeltraining
Rad: 3 Std. mit 238 Watt oder 135 Puls
Koppeltraining
Rad: 4 Std. mit 226 Watt oder 130 Puls
Pause
RunLauf: 2 km mit 152 PulsLauf: 2 kmPause

Nur, weil du im Trainingslager bist, kannst du nicht erwarten, dass du plötzlich einen leistungsfähigeren Körper hast. Beachte daher die Faustregel: Deine durchschnittliche Wochentrainingszeit während der letzten acht Wochen ergibt mit 2,5 multipliziert die Trainingszeit pro Woche für das siebentägige Trainingslager.

Transparenzhinweis:

Der Text stammt von Nicole Luzar vom Sportwelt Verlag. Für die Texte wurde keinerlei finanzielle Gegenleistung gezahlt.

Titel: „TRIATHLON TOTAL: Dein Weg zur neuen Bestzeit“
Autoren: Roy Hinnen
Umfang: 418 Seiten (Hardcover)
Preis: 28,95 EUR
ISBN: 978-3-941297-32-6
Erhältlich direkt beim Verlag, überall im Buchhandel und bei Amazon.
Mehr Infos sowie eine Leseprobe und Leserstimmen unter
www.sportweltverlag.de

Ein Radtest legt die Basis

Der Durchschnittspuls, der beim All-out-Test erzielt wurde, dient beim ersten Koppellauf am Samstag als Basis, um dein aktuelles Tempo bei diesem Pulswert zu ermitteln: Laufe also zwei Kilometer mit dem gleichen Puls, den du bei deinem Radtest hast. Am folgenden Tag läufst du nach dem Radtraining die gleiche Runde mit dem so ermittelten Tempo.

Beim siebentägigen Trainingslager überprüfe bei den Koppelläufen täglich die Entwicklung deines Pulses. So kannst du in etwa einschätzen, wie du über die Tage ermüdest. Wenn über die vier Folgetage beim Laufen der Puls bei gleichbleibendem Tempo um maximal sieben Prozent fällt (152 Puls minus sieben Prozent = 141 Puls), liegst du goldrichtig und wirst mit einem guten Trainingslagerreiz nach Hause reisen. Fällt der Puls tiefer, heißt das, dass dein Körper dringend Pause braucht. Reduziere dann die Zeit auf dem Bike um 20 Prozent, oder mache einen Ruhetag. Grundsätzlich gilt: Je tiefer dein Puls abfällt, desto müder bist du.

Die Reduzierung der Watt- und Pulswerte erfolgt nach etwas unterschiedlichen Prozentsätzen, wobei die Wattzahlen stärker reduziert werden als die Pulswerte. Diese Berechnung ist das Ergebnis jahrelanger praktischer Erfahrungen und wird in „TRIATHLON TOTAL“ ausführlich beschrieben.

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