Ernährung

Irrtümer beim Trinken im Ausdauersport

Ganze Generationen von Hobby-Athleten wuchsen mit dem festen Glauben auf, man müsse viel trinken, sonst drohe der Hitzetod. Doch stimmt das?

Zu viel trinken ist ungesund
Zu viel trinken ist ungesund: Zu wenig natürlich auch. - (Foto: © Francesco83 - Fotolia.com)

Es fiel mir bei unserem Vereins-Triathlon auf. Athleten auf der Laufstrecke von nur fünf Kilometern kamen dreimal an der Getränkestation vorbei und einige griffen dabei jedes mal zu. Andere kamen sogar noch einmal von der gegenüberliegenden Seite, und pflaumten die Helfer an, ihnen erneut etwas zu reichen. Als würde ihr Leben davon abhängen.

Auf nur fünf Laufkilometern hatten einige Triathleten anscheinend furchtbare Panik, sie könnten dehydriert sein. Woher kam das?

Vermutlich, weil es ein warmer Tag war und sie Angst vor der Hitze hatten

Falsch: Trinken hilft gegen Hitzschlag

Eine drohende Überhitzung – also ein Hitzeschlag – kann man doch sicher mit Trinken bekämpfen? Liegt doch auf der Hand: Wenn es brennt, dann hilft Wasser

In diesem Fall ist diese Logik aber falsch. Flüssigkeit, die man zu sich nimmt, hilft nicht, wenn der Körper überhitzt. Wissenschaftler Thimothy Noakes schreibt in seinem Buch „Waterlogged“ dazu:

There ist no published scientific evidence to support the hypothesis that heatstroke is caused by dehydration and that it can be prevented by drinking as much as tolerable during excercises. (1)

Hitzschlag ist eine ernstzunehmende Gefahr im Sport. Doch mit Trinken kann sie anscheinend nicht bekämpft werden. Noakes weist darauf hin, dass der Hitzeschlag bei vergleichsweise wenig Personen unter gleichen Bedingungen auftritt und anscheinend durch individuelle Faktoren ausgelöst wird.

Ungenau: Mehr Flüssigkeit, bessere Leistung

Der zweite Irrglaube ist, dass man besser hydriert auch besser unterwegs sei. So heißt es, dass es ab einem Verlust an Flüssigkeit von zwei Prozent des Körpergewichts zu Leistungseinbrüchen kommen kann, und das bei elf Prozent bereits der Tod drohe.

Zumindest verallgemeinern kann man das jedoch nicht. Denn es gibt regelmäßig Marathon-Sieger, die mit einem Verlust von 10 Prozent des Körpergewichts zwischen Start und Ziel ankommen. Wie kann das sein?

Die Erklärung ist simpel: Glucose wird im Muskel in einem Milieu von Wasser und Kalium eingelagert. Ruft man die Speicher dann bei einer extremen Leistung ab, werden die Zucker und deren Flüssigkeitsspeicher gleichermaßen abgebaut. Diese Flüssigkeit hat allerdings nichts mit dem Blutplasma oder dem Wasser in Zellen zu tun (2). Es fehlt dem Körper also nicht wirklich. Der Athlet muss es auch nicht im Ziel auf Teufel komm raus wieder „reintrinken“. Das wäre sogar gefährlich, wie der nächste Punkt zeigt.

Ein gewisser Verlust an Körpergewicht nach einer langanhaltenden Ausdauerleistung ist also ganz normal und birgt laut einer Studie an Langdistanz-Triathleten keine medizinische Gefahr (3).

Richtig: Zu viel Trinken ist gefährlich

Eine Studie aus dem Jahr 2005 (4) zeigt eine andere, gefährliche Tendenz. Rund 13 Prozent der untersuchten Marathon-Finisher wiesen Anzeichen einer Hyponatriämie auf, im Volksmund auch „Wasservergiftung“ genannt. Diese Läufer hatten also ein gefährliches Ungleichgewicht zwischen Wasser und Salz im Körper – sie hatten zu viel Flüssigkeit aufgenommen.

Und das ist lebensgefährlich:

There is also little doubt that excessive drinking can create a potentially lifethreatening situation. It appears that excessive fluid intake is the primary cause in most cases of hyponatremia in athletes. (4)

Dabei korrelierte die Erscheinung mit dem Tempo der Läufer: Fast alle kamen aus dem langsamen Bereich über vier Stunden. Allerdings schmälert Hyponatriämie auch das Leistungsvermögen – vielleicht hätten die Läufer es mit weniger Trinken schneller geschafft?

Fazit: Trinken, aber mit Verstand

Zum einen besitzt unser Körper einen Mechanismus, der uns warnt, wenn wir zu wenig getrunken haben: Durst. Der ist zu Unrecht in Verruf geraten, denn bevor es ernst wird, meldet er sich.

Wer es aber nicht so weit kommen lassen will, kann als Maßgabe für die Flüssigkeitsaufnahme je nach Körpergewicht auf 400 bis 800 Milliliter pro Stunde rechnen (5). Die sollen natürlich nicht auf einmal heruntergestürzt, sondern sinnvoll über die 60 Minuten verteilt werden. Zum Beispiel alle 10 Minuten 60 Milliliter, was in etwa einem guten Mund voll entspricht.

Diese Maßgabe ist natürlich verallgemeinernd. Die beste Lösung dagegen ist die, dass jeder Athlet seinen Körper kennenlernt und durch vorsichtiges Ausprobieren heraus bekommt, wie viel Flüssigkeit ihm während des Trainings und des Wettkampfes gut tut.

Quellen:
(1) Timothy Noakes. „Waterlogged: The Serious Problem of Overhydration in Endurance Sports“, S. 167
(2) Hew-Butler, Tamara, et al. „Maintenance of plasma volume and serum sodium concentration despite body weight loss in ironman triathletes.“ Clinical Journal of Sport Medicine 17.2 (2007): 116-122.
(3) Sharwood, K. A., et al. „Weight changes, medical complications, and performance during an Ironman triathlon.“ British journal of sports medicine 38.6 (2004): 718-724.
(4) Almond, Christopher SD, et al. „Hyponatremia among runners in the Boston Marathon.“ New England Journal of Medicine 352.15 (2005): 1550-1556.
(5) Noakes, Tim. „Fluid replacement during marathon running.“ Clinical Journal of Sport Medicine 13.5 (2003): 309-318.

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