Triathlon-Einteiler mit Armansatz – So macht er Euch schneller

Frodeno trägt einen, die Raelert-Brüder auch und Sebastian Kienle schon lange: einen Wettkampf-Anzug mit Armansatz. Zu Recht, denn sie machen tatsächlich schneller. Und zwar nicht nur Profis.

Triathlet läuft im blauen Triathlon-Einteiler.
Auf der Garmin Challenge Herning 2017 Foto: ©JamesMitchell

Früher waren Triathleten „die Verrückten in Badehosen“. Noch heute erinnert der Underpants-Run, ein Spaßlauf wenige Tage vor der berühmten Iroman-Weltmeisterschaft auf Hawaii, an dieses markante Outfit. Markant ist auch der neueste Trend in der Triathlonbekleidung: hochtechnische Wettkampfanzüge mit Armansatz. Diese Variante des Triathlon-Einteilers ist bei den Zeitfahrprofis im Straßenradsport schon länger üblich. Im Triathlon bekam sie 2014 einen ersten Aufmerksamkeits-Schub, als sich Sebastian Kienle darin in Kona zum Weltmeister krönte. Genauer: In einer Maßanfertigung des Orca RS1 Dream Kona (Anzeigenlink Amazon).

Damals musste er seinen Triathlon-Einteiler beim Schwimmen noch unter seinem Speedsuit herunterkrempeln. Triathlonanzüge, die Schultern und Arme bedecken, waren laut Reglement nicht erlaubt. Anfang 2016 hat die World Triathlon Corporation, Ausrichter der Ironman-Triathlons, diese Vorgabe jedoch angepasst.

Weniger Falten, mehr Watt beim Triathlon durch Einteiler

Diese noch junge Variante der Triathlon-Anzüge basiert auf der Erkenntnis, dass „Material, wenn man es an den richtigen Stellen einsetzt, schneller im Wind ist als Haut“, fasst Markus Konrad von Ryzon zusammen. Deren Myth-Einteiler auch Ironman-Zürich-Sieger Nick Kastelein trägt. Weil auf dem Rad die anströmende Luft zuerst auf Schultern und Oberarme trifft, ist es sinnvoll diese mit aerodynamischem Textil zu überziehen. In einem Bahntest des Leistungsdiagnostik- und Trainingsinstituts STAPS betrug die Kraftersparnis für den Fahrer im aerodynamisch vorteilhaftesten Anzug, dem PA Suit, 3,5 Prozent, also 13 Watt. In Tests diverser Hersteller lagen die Werte von „bearmten“ Anzügen vier bis 15 Watt unter denen ärmelloser Modelle.

Aerodynamischer Vorteil beim Triathlon-Einteiler

„Der aerodynamische Vorteil gegenüber dem Zweiteiler ist signifikant. Du sparst einfach unheimlich Energie“, schwärmt der mehrfache Weltmeister über die Ironman-Mitteldistanz, Michael Raelert. Er ist seit 2015 im Sanremo von Castelli unterwegs und findet ihn „einfach unheimlich dynamisch. Er passt perfekt zur Position auf Extensions und sitzt dann wie eine zweite Haut.“

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Das muss er auch, denn bei der Triathlonbekleidung gilt: Es gibt nicht den perfekten Anzug. Das liegt den vielen Faktoren, die mit hineinspielen, wenn es darum geht, ob und wie viel schneller ein Wettkampfdress macht. Neben der Passform ist zum Beispiel auch die individuelle Sitzposition entscheidend. Denn je nachdem wie der Athlet auf dem Fahrrad positioniert ist, müssen Nähte und Materialien anders verlaufen, damit der Aero-Vorteil voll zum Tragen kommen kann.

Triathletin Laura Philipp fährt Rennrad und trägt einen grünen Einteiler.
Auch Laura Philipp trägt den Einteiler. Foto: Castelli

Vom Maß- zum Massenanzug

Findet man den für sich passenden Anzug kann er sich als ein wirkungsvolles Mittel im Kampf gegen Wind und Uhr erweisen. Aus diesem Grund tragen die meisten Profis, wie auch Ironman-Weltmeister Jan Frodeno, entweder Maßanfertigungen oder Prototypen, die im Windkanal oder auf der Bahn an ihnen selbst getestet wurden. „Was wir aus diesen Sonderanfertigungen lernen, fließt in die Produktion für die Endkunden mit ein“, so Markus Konrad.

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Das Material und die Erfahrungswerte der Profis sind nicht der Hauptgrund, warum Triathlon-Einteiler mit Armeinsatz auch für Altersklassen-Athleten interessant sind. Besonders für Anfänger und weniger schnelle Sportler zahlt sich ein individuell möglichst optimaler Einteiler aus. Denn sie sind länger unterwegs und müssen häufig größere Defizite bezüglich ihrer Technik ausgleichen. Ein paar Watt zu sparen, weil der Anzug die Aerodynamik verbessert, kann in solchen Fällen vor allem auf längeren Distanzen hilfreich sein.

„Außerdem bieten längere Ärmel zusätzlichen Sonnenschutz, können bei entsprechender Materialwahl kühlen und halten bei Kälterennen etwas wärmer als die klassischen ärmellosen Varianten“, erklärt Bernard Plainer von Castelli, einer der ersten Hersteller, die die Armkonstruktion auf den Triathlonsport übertrug.

Mehr Energie durch hochtechnischen Triathlon-Einteiler

Den Vorteil aerodynamischer Bekleidung für sich zu nutzen, kann sich bereits im Wasser auszahlen – zumindest bei Neoprenverbot. Zwar sind Triathlonanzüge, egal ob mit oder ohne Arm, nicht darauf ausgelegt, zusätzlichen Auftrieb zu verleihen. Hydrodynamisches Material ist jedoch bei hochtechnischer Wettkampfbekleidung wie dem Aero Tri-X Skinsuit von 2XU oder dem Streamliner Beat von Skinfit gebräuchlich. Wenn das Gewebe kein oder wenig Wasser aufnimmt, kann das den Wasserwiderstand reduzieren und so Kraft sparen helfen. Lediglich Kurzdistanz-Profis, bei denen es beim Schwimmen auf das letzte Quäntchen Bewegungsfreiheit ankommt, würde Ryzon-Mann Markus Konrad von einem Triathlon-Einteiler mit Armansatz abraten.

„Wir benutzen bei unseren Triathlon-Topprodukten verschiedene Materialien, um die Aerodynamik zu maximieren“, erklärt Bernhard Plainer. In der Front sitzt beispielsweise ein glattes, flexibles Polyestermaterial, Schultern und Rücken bestehen aus einem Material, das leichte „Dellen“ aufweist, an denen die Luft besonders geschmeidig vorbeiströmen soll. Und wenn ein solcher Anzug dann nicht nur „aero“ ist, sondern auch genügend Bewegungsfreiheit beim Laufen bietet, spricht gegen ein solches Modell im Wettkampf eigentlich nichts. Der Preis liegt allerdings selten unter 200 Euro.

So findet Ihr den passenden Triathlon-Einteiler

Bei der Entscheidungsfindung und der Analyse der Aerodynamik zählen drei Kernpunkte, so Björn Geesmann von STAPS:

  1. das Material des Anzugs
  2. die Passform des Anzugs
  3. die Position des Triathleten inkl. seiner Körperkonstitution

Um den in Bezug auf Aerodynamik individuell besten Anzug zu finden, sollten immer alle drei Punkte berücksichtigt werden. Und darauf kommt es an:

Material: An unterschiedlichen Stellen des Anzugs  wirken sich verschiedene Materialien und Gewebestrukturen unterschiedlich aus. Anzüge mit Armansatz sollten das restliche Material am Körper nicht zum Spannen bringen, damit der Anzug komplett anliegt (siehe Passform). Auch wenn man im Triathlon verhältnismäßig lange auf dem Fahrrad sitzt, sollte das Polster dünn ausfallen. Sonst wird es spätestens beim Laufen unbequem.

Passform: Falten sind ein No-go. Denn überall dort, wo der Stoff nicht plan liegt, verursacht er bremsende Luftverwirbelungen und ziehen unnötig Energie. Die gute Nachricht: Eine faltenfreie Passform lässt sich ziemlich leicht umsetzen, indem man schon im Laden in den Anzug schlüpft, ein bisschen Kraulen simuliert, in Zeitfahrhaltung geht und ein paar Meter auf und ab joggt. So entdeckt man nicht nur Falten, sondern merkt gleich, ob der Anzug irgendwo reibt oder zwickt. Wer sich im großen Angebot der Arm-Einteiler etwas verloren fühlt, der sollte sich einen guten Sporthändler suchen. Der kann mithilfe von Angaben wie Körpergewicht und Brustumfang die in Frage kommenden Kandidaten eingrenzen.

Einsatzbereich: Ein Anzug für Triathleten ist – ähnlich wie die Sitzposition auf dem Rad – immer ein Kompromiss zwischen bestmöglicher Aerodynamik und Komfort (Bewegungsfreiheit, Temperaturmanagement). Ein reinrassiger Zeitfahr-Anzug wäre aufgrund seiner Passform und Konstruktion am Rad bestimmt noch schneller als ein Triathlon-Einteiler mit Stummelarm. Laufen möchte damit aber vermutlich niemand. Schon gar keinen Marathon. Aufgrund der Wettkampfdauer sollte ein Triathlon-Wettkampfanzug zudem ab olympischer, spätestens jedoch ab Mitteldistanz Rücken- und/oder Beintaschen für den Transport von Verpflegung (Gels, Riegel, Salztabletten) besitzen.