Die optimale Schrittfrequenz beim Laufen im Triathlon

Die Schrittfrequenz wird beim Laufen oft vernachlässigt. Sie ist aber ein entscheidender Faktor, wenn es um effizienten Laufstil und eine bessere Leistung geht. Doch wie schnell sollten die Beine in der dritten Disziplin rotieren? Und gibt es überhaupt ein Optimum?


Mit der Schrittfrequenz beim Laufen ist es so eine Sache. Während beim Radfahren und Schwimmen die Anzahl an Kurbelumdrehungen bzw. Armzügen ganz selbstverständlich als wichtiges Kriterium für die Bestimmung der Effizienz gelten, richtete man sich beim Laufen lange nur nach Tempo und Puls. Wenn es darum geht, seine Leistung zu verbessern und schneller zu werden, gehen vor allem Einsteiger oft von der These aus. Wer schneller laufen will, muss längere Schritte machen. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall.

180 Schritten pro Minute

Breite Aufmerksamkeit bekam die Schrittfrequenz im Laufen, als US-Coach Jack Daniels in seinem 1998 erschienen Buch „Daniel’s Running Formula“ sämtliche Läufer der Olympischen Spiele von 800 Metern bis Marathon verglich und feststellte, dass alle mit 180 Schritten pro Minute oder mehr unterwegs waren. Es gab also plötzlich ein, von den Besten der Welt in der Praxis bestätigtes Optimum für Laufeffizienz. Aber sind die 180 Schritte das wirklich?

Schrittgeschwindigkeit dem Tempo anpassen

Die Antwort lautet: Nicht unbedingt und nicht immer. Denn wer die 180 als einzig ideale Kadenz hinstellt, lässt bei Daniels’ Aussage einen wichtigen Aspekt weg: denn der sagt mit seinem „oder mehr“ ganz klar, dass die Schrittfrequenz nicht in Stein gemeißelt, sondern eine Variable ist. Eine, die auch mal unter die 180 fallen darf. Die Wissenschaft bestätigt dies: Eine von der University of Texas El Paso durchgeführte und 2008 veröffentlichte Studie mit einer Gruppe gut trainierter College-Läufer zeigte beispielsweise, dass diese je nach Tempo ihre Schrittgeschwindigkeit anpassten. Bei 4:46 Minuten pro Kilometer rannten sie mit einer Kadenz von 175 Schritten pro Minute während sie bei 3:05 Minuten pro Kilometer auf 196 erhöhten. „Die Schrittfrequenz ist ein wichtiger Indikator dafür, wie gut die Lauftechnik eines Athleten ist. Aber man muss sie auch immer in Bezug zum Tempo und der Körpergröße setzen“, erklärt Christian Decker von Triworx Coaching, der unter anderem die zweifache Ironman-Gewinnerin Astrid Stienen betreut.

Die Schrittfrequenz als Verletzungsschutz

Soll heißen: Ein Triathlet wird bei einem Joggingtempo von sieben Kilometern pro Stunde mit niedrigerer Schrittfrequenz unterwegs sein, als einer mit zwölf oder Kilometern pro Stunde. Und ein Athlet mit langen Beinen hat sehr wahrscheinlich eine geringere Kadenz als einer mit kurzen, selbst wenn beide bei gleicher Geschwindigkeit laufen. Doktor Matthias Marquardt, Autor des Bestsellers „Die Laufbibel“, hat dieses Phänomen sogar in eine Formel gepackt und als Schrittfrequenz-Rechner auf seiner Webseite marquardt-running.com veröffentlicht. Er schreibt: „Es gibt gute Gründe die Schrittfrequenz im Training im Auge zu behalten.“ Einer davon ist: Je langsamer die Beine kreisen – und langsam beginnt im Laufsport beziehungsweise Triathlon ab einer Frequenz von 160 Schritten pro Minute oder weniger – desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man den Fuß zu weit vor dem Körperschwerpunkt aufsetzt.

Wie soll der Triathlet beim Laufen den Fuß aufsetzen? Hier erfährst Du es.

Overstriding – Abbremsen beim Laufen

Mit diesem sogenannten Overstriding bremst man sich bei jedem Schritt selbst ab. „Man kann sich das ähnlich wie beim Kicken auf einem Tretroller vorstellen“, sagt Trainingsexperte Decker. „Komme ich da mit der Ferse zuerst vor dem Körper auf, bremse ich den Roller. Genau das Gleiche passiert beim Laufen. Wenn ich also weniger bremse, das heißt nahe dem Körperschwerpunkt aufsetze, geht mehr Energie nach vorne und ich bin bei gleichem energetischen Aufwand schneller im Ziel.“ Erhöht man die Schrittfrequenz setzt man automatisch näher am Körperschwerpunkt und eher mit dem Mittel- oder Vorfuß statt der Ferse auf. Zudem verringert sich die Stoßbelastung auf die Gelenke, weil man weniger auf- und abwippt – und damit verringert sich auch das Verletzungsrisiko.

Gelenkschonend laufen mit der richtigen Schrittfrequenz

Das ist zumindest das Ergebnis einer 2014 im Magazin Sports Health veröffentlichten Meta-Studie einer Forschergruppe um Wissenschaftlerin Amy G. Schubert von der University of Wisconsin. Diese lässt darauf schließen, dass eine höhere Schrittfrequenz beim Laufen die Belastung von Knöchel, Hüft- und Kniegelenk reduzieren kann. Zudem verringerten sich in (fast) allen der zehn untersuchten Studien die vertikale Bewegung, also das Auf- und Abhüpfen des Athleten bei jedem Schritt, sowie die Stoßbelastung beim Bodenkontakt und die Verweildauer des Fußes auf dem Untergrund. Wer die Beine schneller rotieren lässt, scheint also tatsächlich sowohl schonender als auch effizienter und damit schneller unterwegs zu sein. Beides Punkte, die besonders für Triathleten wichtig und interessant sind, denn „Im Triathlon läuft man unter Ermüdung. Das macht verletzungsanfälliger, zumal ein Teil der Kraft und körpereigenen Reserven schon beim Schwimmen und Radfahren aufgebraucht worden sind“, so Christian Decker. Um Muskeln, Sehnen und Bänder also nicht noch zusätzlich zu belasten und trotz Vorbelastung noch zügig laufen zu können, ist eine gute Technik notwendig.

Doch wie sich vor Verletzung und Überbelastung schützen? Wir geben die Antwort in einem Video.

Schrittfrequenz erhöhen – so geht’s

Doch wie erhöht man seine Schrittfrequenz – und woher weiß man überhaupt, wie hoch sie aktuell ist? Letzteres kann man, wenn man keine Laufuhr besitzt, die diesen Wert ermittelt, selbst ausrechnen. Zum Beispiel, indem man drei Mal eine Minute lang mitzählt wie oft der rechte (oder der linke Fuß) den Boden berührt. Diese Zahl wird gemittelt und mal zwei genommen – man hat ja zwei Beine. Nicht ganz so einfach ist es, im nächsten Schritt die Kadenz zu erhöhen. Wie bei allen Veränderungen, die den Laufstil betreffen, gilt auch hier: Geduld.

Was muss eine gute Laufuhr eigentlich können? Wir verraten es Dir.

Zum Einstieg genügt eine schrittfrequenzbezogene Einheit pro Woche, bei der die schnell kontrahierenden Muskelfasern und das Zusammenspiel zwischen Muskulatur und Nerven trainiert werden. Dafür eignen sich das Lauf-Abc mit Übungen wie Anfersen oder schnelles Laufen auf der Stelle gut. Christian Decker empfiehlt, sich zumindest zu Beginn einen erfahrenen Trainer zu suchen, der aufpasst, dass die Übungen korrekt ausgeführt werden. Zudem biete es sich für eine Schrittfrequenz-Erhöhung an „Strecken mit leichtem Gefälle zu laufen oder Intervalle auf der Bahn“, sagt der Coach.

Übungen, um die Schrittfrequenz zu erhören:

  • Konzentration auf die Armarbeit. Je kleiner der Winkel zwischen Ober- und Unterarm, desto schneller schwingen die Arme. Bestenfalls liegt er bei 90 Grad oder weniger. Durch die sogenannte Kreuzkoordination erhöht sich so die Schrittfrequenz automatisch mit.
  • Schuhe ausziehen. Barfuß läuft der Mensch meist automatisch höherfrequenter. Ein paar Minuten lang barfuß über ein Fußballfeld oder eine andere Rasenfläche laufen, danach die Schuhe anziehen und versuchen diese Frequenz erneut aufzunehmen.
  • Bergaufläufe. Sie kräftigen die Unterschenkelmuskulatur und fördern die aktive Armarbeit.
  • Frequenzvariationen. Immer wieder während eines Laufes bei „Wohlfühlfrequenz“ über mehrere Wochen hinweg länger werdende Abschnitte einzubauen, bei denen die Kadenz bewusst erhöht wird, kann dabei helfen, sich langsam an eine höhere Schrittfrequenz zu gewöhnen.
  • Kleine Schritte, statt höheres Tempo. Zu Beginn des Frequenz-Trainings ist es einfacher, mehr Schritte zu machen und die Schrittlänge zunächst außer Acht zu lassen. Das Tempo kommt mit der Effizienz von allein.

Meine Leistung sinkt? Keine Sorge!

Aber: Zunächst einmal wird ziemlich sicher die Leistung etwas nach unten gehen. Das bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2011, bei der 16 Läufer bei unterschiedlicher, vorgegebener Schrittfrequenz und vertikaler Bewegung auf dem Laufband liefen, und deren jeweiliger VO2max (die maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit, ein Gradmesser für die Ausdauerleistungsfähigkeit) pro Minute und Kilogramm Körpergewicht gemessen wurde. Das Ergebnis: Die Energieeffizienz verschlechterte sich, als die Läufer ihre gewohnte Frequenz veränderten.

Den Körper an neue Schrittfrequenz gewöhnen

Denn wer regelmäßig läuft, dessen Körper sucht sich den für sich passenden Modus, um die Belastung durchzustehen. Diese natürliche Art zu laufen bildet zunächst das ab, was für die individuelle Körperstruktur und eventuelle Einschränkungen in der Beweglichkeit machbar ist. Außerdem muss der Athlet nicht nachdenken, weil er sich intuitiv bewegt. Auch Denkarbeit kostet Energie. Gibt man seinen Systemen aber Zeit sich an die neue Technik zu gewöhnen, hebt sich dieses Manko wieder auf. Die neue Bewegung wird Gewohnheit und damit intuitiv ausgeführt. „Nach vier bis sechs Wochen sollten die ersten Fortschritte zu sehen sein“, schätzt Christian Decker.

Sauber und ästhetisch zu laufen hat Vorteile: Der Athlet kommt schneller, schonender und energiesparender voran. Wie werden Arme und Beine richtig koordiniert? Hier der Laufzyklus in Bildern. 

Schrittfrequenz-Training: ein Muss?

Ob man diese Zeit investieren möchte, muss jeder Triathlet für sich entscheiden. Wem es genügt, sich innerhalb seiner natürlichen Lauftechnik zu entwickeln und dabei keine Verletzungs- oder orthopädischen Probleme hat, der kann seine Schrittfrequenz beibehalten – mit der Untergrenze von 160 Schritten pro Minute im Hinterkopf. Ist der Athlet aber ständig verletzt oder trainiert auf eine sehr lange Belastung, wie einen Langdistanztriathlon hin, kann es durchaus hilfreich sein, bewusst an der Schrittfrequenz zu feilen. Das heißt nicht, dass man stur auf 180 „Umdrehungen pro Minute“ hinarbeiten und dann nur noch diese Schrittgeschwindigkeit laufen sollte.

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Schrittfrequenz – Wundermittel?

Mit dem Schrittfrequenztraining bekommt man viel mehr ein Gespür für die unterschiedlichen Tempi. Man erweitert seine Frequenzpalette, sodass man je nach Geschwindigkeit und Strecke mehr Variationsmöglichkeiten hat. Die Schrittfrequenz ist weder eine feste Größe noch ein Allheilmittel. Sie ist lediglich ein weiteres Tool im Werkzeugkasten der Lauftechniken. Aber eines, das den Läufer nicht nur effizienter macht, sondern auch den ein oder anderen Gang zum Sportarzt ersparen kann.

Gibt es die perfekte Lauftechnik? Wolfgang Bunz, Buchautor von „Die perfekte Lauftechnik“ beantwortet diese und andere Fragen im Interview.